Webinare

Die Situation der Luftfahrtbranche

4 min read
Jun 26 2023

In einem kürzlich durchgeführten Webinar diskutierten Naji Nehme, CEO und CIO von Petiole Asset Management AG, und Joe McConnell, Partner und stellvertretender Co-Chief Investment Officer bei der weltweit aktiven, auf alternative Anlagen spezialisierten Investmentgesellschaft Castlelake, über die aktuelle Situation und die Aussichten der Luftfahrtbranche. Das vollständige Webinar ist unten zugänglich. Der nachfolgende Beitrag fasst die wichtigsten Punkte nach Themenbereichen geordnet zusammen.

Langfristige Attraktivität von Anlagen in der Luftfahrtbranche

In den letzten 70 Jahren hat der Luftverkehr gemessen am Passagieraufkommen beständig um das 1,5-Fache des weltweiten BIP-Wachstums zugenommen. Angebot und Nachfrage konnten dabei recht zuverlässig vorhergesagt werden. Trotz der durch geopolitische Faktoren und die COVID-19-Pandemie verursachten Schwankungen in den letzten 20 Jahren ist dieser Trend stabil geblieben.

Markttrends – Boom nach der COVID-19-Pandemie

Die Branche hat sich weitgehend von der COVID-19-Krise erholt. Die Fluggesellschaften sind wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. So wird für 2023 weltweit ein Gewinn von rund USD 10 Mrd. prognostiziert. In Nordamerika wird die Zahl der Fluggäste in diesem Sommer voraussichtlich das Niveau vor der Pandemie übersteigen. Die Passagierzahlen in Europa liegen derzeit noch knapp unter diesem Niveau, und auch in Asien (ohne China) nähert sich die Nachfrage dem Höhepunkt vor COVID-19. Insgesamt gehen wir angesichts der erwarteten Erholung in China davon aus, dass die weltweite Nachfrage in diesem Jahr wieder das Niveau vor der Pandemie erreichen wird.

Nachfrage nach Flugzeugen grösser als das Angebot

Haupthindernis für das Passagierwachstum ist der aktuelle Mangel an neuen Flugzeugen. Hätten die Fluggesellschaften ihre Kapazitäten durch den Erwerb neuer Flugzeuge erhöhen können, wäre das Passagieraufkommen unserer Meinung nach bereits deutlich höher als 2019. Der Kapazitätsmangel schlägt sich in deutlich höheren Flugpreisen nieder: Im Durchschnitt sind diese weltweit um 30% bis 40% gestiegen – und der Umsatz hat wieder das Niveau von 2019 erreicht. Darüber hinaus profitiert die Branche von den sinkenden Ölpreisen.

Die jüngsten Grossaufträge von IndiGo und Ryanair, zwei der günstigsten und am besten geführten Fluggesellschaften der Welt, zeigen, wie gross der Bedarf an neuen Flugzeugen ist. So konnte Airbus an der Pariser Luftfahrtschau 2023 den bisher grössten Auftrag in der Geschichte der kommerziellen Luftfahrt an Land ziehen: Der Flugzeugbauer unterzeichnete einen Vertrag mit IndiGo über den Kauf von 500 Flugzeugen des Typs A320, die zwischen 2030 und 2035 ausgeliefert werden sollen. Im Mai 2023 vereinbarte Ryanair den Kauf von 150 neuen Boeing 737-10 und erwarb Optionen auf 150 weitere Flugzeuge im Wert von rund USD 40 Mrd. zu Listenpreisen.

Bei der Bestellung von Flugzeugen nutzen Fluggesellschaften ihre Grösse zu ihrem Vorteil. In der Regel erteilen sie ihre Aufträge zu Zeitpunkten, in denen das makroökonomische Umfeld nicht besonders gut ist, sodass sie hohe Rabatte verlangen können. Nach Einschätzung von Castlelake sind ihre Motive diesmal jedoch anders gelagert und die jüngsten Aufträge spiegeln die optimistische Sicht der Fluggesellschaften auf die Wachstums- und Konsolidierungsaussichten in der Branche wider. IndiGo und Ryanair werden sich zweifellos Preisnachlässe sichern, doch ihr Hauptmotiv für die Bestellungen bestand diesmal darin, ihr Wachstum zu sichern, bevor andere Fluggesellschaften ihre Flotten vergrössern.

Schwierigkeiten, die Nachfrage zu decken

Die Flugzeuglieferanten stehen unterdessen vor grossen Herausforderungen. Unter anderem müssen ihre neuen hochmodernen Flugzeuge die versprochenen technologischen Neuerungen in puncto Treibstoffeffizienz aufweisen. Einige Lieferanten haben Schwierigkeiten, ihr Versprechen in die Praxis umzusetzen – vor allem im Hinblick auf Triebwerke und Tragflächen, die kostspielige Anpassungen erfordern. Hinzu kommen Probleme bei der Instandhaltung, deren Behebung Jahre dauern könnte.

Die Pandemie verursachte weitere Probleme, die bereits vorhandene Schwierigkeiten wie etwa den Fachkräftemangel noch verschärft haben. Viele industrielle Erstausrüster (OEM) sind deshalb nicht in der Lage, ihr Angebotsvolumen zu erhöhen. Diese Lieferprobleme werden daran deutlich, dass die ersten von IndiGo bei Airbus bestellten Flugzeuge erst 2030 eintreffen werden.

Weltweiter Flugzeugmangel

Castlelake geht davon aus, dass der Luftfahrtbranche bis 2030 weltweit rund 4500 Flugzeuge fehlen werden. Ursachen dafür sind unter anderem die oben beschriebenen Schwierigkeiten in der Lieferkette und andere Herausforderungen. So werden zahlreiche ältere Flugzeuge ausgemustert, weil ihr Betrieb aufgrund der relativ geringen Treibstoffeffizienz teuer ist. In anderen Branchen könnten neue Mitbewerber auf den ersten Blick zu einer Erhöhung des Angebots beitragen, doch dies ist aufgrund der hohen Eintrittsbarrieren in der Luft- und Raumfahrtbranche eher unwahrscheinlich.

Auswirkungen auf die Flugpreise

Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage dürfte zum Anstieg der Ticketpreise beitragen. In den letzten 25 Jahren gingen die durchschnittlichen Ticketpreise kräftig zurück, und die Fluggesellschaften konzentrierten sich auf Kostensenkungen. Deswegen ist es schwierig, zu bestimmen, wie hoch die Preise steigen können, bevor die Nachfrage zurückgeht. Die beste Anlagestrategie besteht daher darin, sich auf die am besten geführten Fluggesellschaften zu konzentrieren, die in der Lage sein werden, den nächsten Abschwung zu überstehen, mit dem irgendwann zu rechnen ist. Die schwächsten Fluggesellschaften gehen immer zuerst unter. Es empfiehlt sich daher, sich auf die stärksten Unternehmen in jeder Region zu konzentrieren.

Attraktives Risiko-Rendite-Profil

Da die Konzentration auf die stärksten Unternehmen einen guten Schutz vor Verlusten bietet, sind die Renditen attraktiver als bei anderen vergleichbaren Anlagen, wie zum Beispiel Infrastruktur, und es ist möglich, erhebliche Prämien gegenüber liquideren Anlagen zu erzielen.

Die hohen Zinsen und ihre Folgen

Hohe Zinsen spiegeln in der Regel eine hohe Inflation wider. Da es sich hierbei um inflationsgeschützte Anlagen handelt, dürfte sich das Umfeld für Anlegerinnen und Anleger als günstig erweisen. Die OEMs sind aufgrund des Duopols von Airbus und Boeing in der Luftfahrtbranche in der Lage, die Preise erheblich zu erhöhen und ihre Gewinnmargen aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sieht bei Flugzeugbestellungen jeder neue Vertrag einen Inflationsausgleich in Bezug auf Restwerte vor.

Bilanzen in den USA und Europa

In den USA ist die Konsolidierung viel weiter fortgeschritten als in Europa. So gibt es in den USA nur noch vier grosse Fluggesellschaften sowie eine Reihe von Billiganbietern, die sich weitgehend gut behaupten. Der europäische Markt ist deutlich stärker diversifiziert, was sich in schwächeren Bilanzen niederschlägt. Allerdings besteht deshalb auch viel mehr Spielraum für eine Konsolidierung, da die Billigfluggesellschaften nach wie vor Marktanteile von den etablierten Fluggesellschaften gewinnen. Kundenbindungsprogramme spielen in den USA eine grössere Rolle und stellen eine viel höhere Hürde für Mitbewerber dar als in Europa.

Ausnutzung des geschlossenen ABS-Marktes durch die Privatmärkte

Für forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset-Backed Securities, ABS) ist derzeit kein aktiver Markt vorhanden. Dies wird sich voraussichtlich erst wieder ändern, wenn die Zinsen deutlich fallen. Die Privatmärkte profitieren davon mit attraktiven Finanzierungsbedingungen, sowohl aus Sicht von Investorinnen und Investoren als auch von Kreditnehmern.

Auswirkungen des Klimawandels

Jede Fluggesellschaft ist bestrebt, treibstoffeffiziente Flugzeuge mit möglichst geringem CO2-Fussabdruck einzusetzen. In der Praxis ist dieser Wunsch jedoch angesichts des weltweiten Flugzeugmangels so gut wie irrelevant. Aus den bereits erwähnten Gründen ist es unwahrscheinlich, dass sich diese Situation in den nächsten zehn Jahren ändern wird. Insgesamt konzentriert sich die Branche darauf, bis 2050 CO2-neutral zu werden.

Wir entwickeln für Sie eine Lösung nach Mass.

Wir können massgeschneiderte Portfolios für verschiedene Anlagestrategien und Risikoprofile erstellen. Unsere Privatmarktspezialistinnen und -spezialisten freuen sich, gemeinsam mit Ihnen Ihre Anlagebedürfnisse zu erörtern.


Weitere Einblicke erhalten