Starker Anstieg der Renditen von Staatsanleihen
Alex Popov wies darauf hin, dass die Märkte in den letzten zehn Jahren mehrfach ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Inflation äusserten: zum Beispiel bei dem kräftigen Anstieg der Preise für Öl und andere Rohstoffe in den Jahren 2010 und 2011, während des Taper Tantrums im Jahr 2013 und erneut im Jahr 2018, als die Federal Reserve die Zinsen anhob und der Ölpreis USD 70 pro Barrel erreichte.
Die Rendite für 10-jährige US-Treasuries ist für ausländisches Kapital attraktiv, insbesondere nach den Wahlen. So erreichte die 10-jährige Anleihe auf währungsgesicherter Basis ein Fünfjahreshoch für alle, die in Yen und Euro anlegen. Sie zog Anlegerinnen und Anleger aus dem Ausland an und mässigte den Ausverkauf der Staatsanleihen in den letzten Wochen. Nach dem kräftigen Ausverkauf von Unternehmensanleihen in den letzten Monaten stellt sich der Markt wieder auf eine gerechtere Entschädigung ein.
Der Anstieg der Renditen 10-jähriger Staatsanleihen auf den Rekordwert von 2,35% seit 2013 wurde durch Inflationserwartungen in Branchen angetrieben, in denen es nach der Pandemie zu ernsthaften Versorgungsengpässen kam. Die Nachfrage stieg schneller als das Angebot, während die steigenden Kosten für Versand, Transport, Logistik und Kunststoffe eine galoppierende Inflation signalisieren.
Die Auswirkungen der Inflation werden jedoch durch starke Faktoren gemildert: Das BIP ist nicht höher als im letzten Jahr, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Löhne bleiben niedrig und der Industriesektor hat reichlich ungenutzte Kapazitäten. Durch die Digitalisierung wurden vor allem während der Pandemie Veränderungen in der Wirtschaft vorangetrieben, wenngleich dies kein Grund zur Sorge sein muss. Die konkurrierende Dynamik mildert die Inflation und gleicht sie aus.
Welche Anlageklassen schneiden in einem solchen Umfeld tendenziell gut ab?
Anlegerinnen und Anleger müssen sich die Frage stellen, ob die Anlageklasse Real Estate nach 2020 einen vorübergehenden oder einen strukturellen Wandel durchläuft. Für Anlegerinnen und Anleger sind die Veränderungen im Bereich Real Estate während der Pandemie markanter denn je. Ein wesentliches Merkmal von Real Estate bestand schon immer darin, dass sich das Angebot nur langsam anpasst, sensibel auf Kapital reagiert und dass Kapital das Angebot in Erwartung der Nachfrage erhöht. Die Nachfrage kann sich jedoch quasi über Nacht anpassen, was zu einem massiven Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führen kann, wie es auch während der Pandemie der Fall war.
Wohn- und Logistikimmobilien, die grössten Nutzniesser des jahrzehntelangen demografischen und technologischen Wandels, haben infolge der Ereignisse der letzten 12 Monate massiv zugelegt. Das Kapital begünstigte solche Anlagen und wurde bereitwilliger in diese Segmente gelenkt. Dagegen befinden sich Büro- und Hotelimmobilien in einer Phase der Unsicherheit. Handelt es sich dabei um eine vorübergehende oder eine strukturelle Veränderung? Die Zukunft von Hotels wird sich vor jener von Büroimmobilien herauskristallisieren, da die Impfkampagnen fortschreiten und die aufgestaute Nachfrage nach Urlaub und Freizeit freigesetzt wird. Auf dem Markt für Büroimmobilien wird sich der Wandel langsamer vollziehen, da er von längerfristigen Verpflichtungen und Mietverträgen abhängt.
Wichtig ist die Frage, ob sich im Teilsektor Real Estate ein vorübergehender oder ein struktureller Wandel vollzieht. Als Beispiel nannte Alex Popov vermögensintensive Unternehmen, darunter Bauunternehmen, die Wohnimmobilien und Nischenanlagen wie Infrastrukturen für Jachthäfen, Freizeit- oder Unterhaltungseinrichtungen errichten. Es wird davon ausgegangen, dass Sachwerte, die vorübergehend von der Pandemie betroffen waren, sich wieder erholen werden.
Erkenntnisse über Investitionen in Real Estate
Alex Popov betonte, dass Real Estate keine monolithische Anlageklasse ist. Sie wird von Konjunkturabschwüngen und anderen Krisen beeinflusst. Die Kapitalisierungsraten (Betriebserträge im Verhältnis zum Wert) hängen von der Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen, der Risikoprämie und der Konjunktur ab.
Ausserdem muss es Anlagemöglichkeiten in notleidenden Immobilien geben, die ganz klar von den Ereignissen des letzten Jahres und dem verhaltenen Kapitalangebot betroffen sind.
Anlageklassen, in denen es zu einem Strukturwandel gekommen ist, können diese Krise nicht überstehen. Real Estate und Kredite in verschiedenen Unternehmensbereichen werden strukturelle Veränderungen erleben. Die meisten Anlageklassen werden sich erholen, aber nicht alle. Folglich müssen Anlegerinnen und Anleger die langfristigen Veränderungen in jedem Teilsektor berücksichtigen.
Notizen aus der Fragen- und Antwortrunde
Europa und USA im Vergleich: Alex Popov erwähnte, dass zwischen Westeuropa und Nordamerika keine direkte Korrelation besteht. Anfang 2020 wurde der Kapitalbedarf in Nordamerika erkannt, in den letzten Monaten hat sich die Investmentpipeline jedoch nach Europa verschoben. Die beiden Märkte weisen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Wertversprechen auf.
Beste Regionen für Anlagen in Real Estate: Alex Popov erklärte, dass Carlyle in der Vergangenheit einen Schwerpunkt auf Immobilienkrediten in Nordamerika und Europa hatte. Bei Marktverwerfungen fliesst Kapital in der Regel in saubere Unternehmen mit einer klaren Zukunft. Ausserhalb dieser Märkte lassen sich deshalb in der Regel bessere Angebote finden. Anlegerinnen und Anleger sollten nach Bereichen mit geografischen Verwerfungen suchen. Auf den europäischen Märkten gibt es derzeit mehr Verwerfungen und bessere Anlagemöglichkeiten.
Markttrends: Anlegerinnen und Anleger sollten nach stützenden Trends Ausschau halten. Derzeit unterstützen die Markttrends Wohn-, Industrie- und Logistikimmobilien. In dem Masse, wie sich die Wirtschaft erholt und die COVID-19-Krise abklingt, könnten sich positive Trends im Gastgewerbe und im Freizeitbereich ergeben. Die Fallstricke bestimmter Büro- und Detailhandelsimmobilien sollten hingegen vermieden werden.
Arbeit im Homeoffice: Alex Popov erkannte weltweit eine gewisse Ermüdung durch die Arbeit im Homeoffice, bei der Berufs- und Privatleben nicht klar getrennt sind. Obwohl sich in den letzten 12 Monaten die Effizienz der Arbeit im Homeoffice erwiesen hat, wird die endgültige Lösung in einer Mischung aus Büroarbeit und Homeoffice bestehen.
Das Webinar fand am 7. April 2021 in Zusammenarbeit mit The Family Office Bsc (C) statt.