Von den Finanzmärkten wird das Symposium mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Hinweisen für die künftige geldpolitische Ausrichtung suchen. In diesem Artikel rücken wir die wichtigsten Erkenntnisse in den Vordergrund, während weniger relevante Diskussionen ausgeblendet werden.
Mögliche Zinssenkung am Horizont
Der Höhepunkt des Symposiums ist für Medien wie Märkte traditionell der Auftritt des Vorsitzenden der US-Notenbank Fed. In diesem Jahr hielt Vorsitzender Powell seine achte und zugleich letzte Rede auf der Konferenz.
Besonderes Medieninteresse galt einer Passage, die auf eine mögliche Zinssenkung hinwies. Powell erklärte: «Angesichts der restriktiven Geldpolitik könnten die grundlegenden Aussichten und die sich verändernde Risikobilanz eine Anpassung unseres geldpolitischen Kurses rechtfertigen.»[1]
Diese Aussage führte zu einer deutlichen Reaktion an den Märkten,[2] wobei die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im September von 75% auf nahezu 90% anstieg.[3]
Hinter den Schlagzeilen: Powells vollständige Rede
Die 21-minütige Rede von Powell zeichnete ein detailliertes, zugleich jedoch ambivalentes Bild der aktuellen Unsicherheit, die sowohl innerhalb der Fed als auch unter vielen Marktkommentatorinnen und -kommentatoren wahrgenommen wird.
Er beschrieb die Lage auf dem Arbeitsmarkt als «merkwürdig» ausgewogen. Die Neueinstellungen hätten sich verlangsamt, gleichzeitig sei auch die Nachfrage zurückgegangen, sodass der Arbeitsmarkt insgesamt stabil erscheint.
Powell mahnte jedoch, dass dieses Gleichgewicht fragil sei und das Rezessionsrisiko steige. Zölle könnten die Inflation auf hohem Niveau halten, während eine restriktive Einwanderungspolitik die Zahl der Arbeitsplätze begrenzen und dadurch das Risiko einer Stagflation für die Fed erhöhen könnte.
Die neue strategische Ausrichtung der Fed, die im Rahmen ihrer jüngsten Fünfjahresbewertung beschlossen wurde, signalisiert eine Abkehr von dem bisherigen Ansatz, der in einer Phase niedriger Zinsen, geringen Wachstums und potenzieller Deflation entstanden war.
Künftig verfolgt der Ausschuss wieder ein klares Inflationsziel von 2%, anstatt einen Durchschnittswert von 2% anzustreben, und zielt zugleich auf einen ausgewogenen Arbeitsmarkt. Zudem räumte Powell ein, dass der neutrale Zinssatz nach der Pandemie möglicherweise gestiegen sei. Durch die aktuell relativ hohen Zinssätze verfüge die Fed nun über mehr Flexibilität, ihre Politik bei Bedarf anzupassen.
Powell betonte, dass es keinen «vorgegebenen» Kurs gebe und die Entscheidungen stets datenbasiert getroffen würden – ein Prinzip, das Beobachterinnen und Beobachter der Fed bereits seit Langem kennen.
Eine umfassendere Perspektive
Eine wichtige Erkenntnis aus Powells Rede war die Unterscheidung zwischen zyklischen und strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft. Powell hob hervor, dass es oft schwierig sei, zu bestimmen, ob ein Trend zyklisch oder strukturell verlaufe, und dass die Einflussmöglichkeiten der Fed weitgehend auf zyklische Faktoren beschränkt seien. In Zeiten strukturellen Wandels sei die Rolle der Fed daher eher reaktiv als proaktiv, was bedeute, dass sie sich an Entwicklungen anpassen müsse, anstatt diese zu steuern oder vorwegzunehmen.
Das übergeordnete Thema des Symposiums lautete «Arbeitsmärkte im Wandel: Demografie, Produktivität und makroökonomische Politik.» Die übrigen 18 Rednerinnen und Redner konzentrierten sich auf langfristige strukturelle Veränderungen, darunter demografische, fiskalische und technologische Entwicklungen.[4]
Beispielsweise dürften sinkende Geburtenraten und die damit einhergehende Alterung der Bevölkerung die Nachfrage nach Vermögenswerten erhöhen und gleichzeitig den fiskalischen Druck auf die Regierungen durch höhere Sozialleistungen verstärken. Gleichzeitig kann der rasante Fortschritt im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) die Produktivität erhöhen und damit das notwendige Wirtschaftswachstum fördern, das erforderlich ist, um fiskalische Belastungen abzufedern – insbesondere wenn KI zu einer Umverteilung von Arbeitsplätzen anstatt zu einer Verdrängung von Arbeitskräften führt.
Fazit
Wir sind der Auffassung, dass sich Anlegerinnen und Anleger vor allem auf langfristige strukturelle Trends konzentrieren sollten, anstatt sich mit Details wie Ernennungen oder Abberufungen von Fed-Mitgliedern aufzuhalten.
Investieren ist ein langfristiges Projekt, und das Verständnis dieser grundlegenden Entwicklungen hilft, kurzfristige Schwankungen und Ablenkungen besser einzuordnen, die Anlagestrategien beeinträchtigen könnten.
[1] U.S. Federal Reserve
[2] New York Times
[3] Reuters
[4] Federal Reserve Bank of Kansas City