Wozu entscheidet sich die Fed: Zinspause oder Wendepunkt?
Bei ihrer letzten Sitzung Anfang Mai hat der Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank Fed entschieden, den Leitzins unverändert bei 4,25% bis 4,5% zu belassen. Diese Bandbreite gilt seit Januar, und zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels gehen die Märkte fast sicher davon aus, dass die Fed diesen Kurs auch bei ihrer Sitzung im Juni beibehalten wird.

Dieser Entscheid entspricht jedoch nicht einer stabilen oder einheitlichen Einschätzung der US-Zinsen oder der Wirtschaftslage. Vielmehr zeugt er von einer Untätigkeit, die ihren Ursprung in der seit Jahresbeginn anhaltend hohen Unsicherheit hat, welche vor allem, aber nicht nur, durch die Handelspolitik verursacht wird.
Erkenntnisse aus der Mai-Sitzung
Das Protokoll der Sitzung vom 6. bis 7. Mai sowie die anschliessenden öffentlichen Äusserungen des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell lassen eine deutliche Besorgnis der Ausschussmitglieder erkennen.[1] Zu diesem Zeitpunkt war die radikalere Version des Zollprogramms von Präsident Donald Trump noch in Kraft, darunter unter anderem zusätzliche Zölle in Höhe von 145% auf chinesische Importe.
Die Aussicht auf längerfristig geltende Zölle wurde als wahrscheinlicher Faktor angesehen, der sowohl zur Inflation (durch höhere Preise) als auch zu einer Konjunkturabkühlung (durch Entlassungen und Einschränkungen von Expansionsplänen der Unternehmen) beitragen könnte. Diese Kombination, auch als «Stagflation» bezeichnet, würde die Fed vor ein Dilemma stellen, da weder eine Anhebung noch eine Senkung der Zinssätze beide Probleme gleichzeitig wirksam angehen könnte.[2]
Verschärft wird die Lage durch die frühere Fehleinschätzung der Fed hinsichtlich der Inflation, als ein vorangehender Anstieg zunächst als vorübergehend eingestuft wurde.[3] Fed-Chef Jerome Powell deutete an, dass die derzeitige abwartende Haltung wahrscheinlich beibehalten werde, da die potenziellen Kosten für das Abwarten auf zusätzliche Wirtschaftsdaten als «relativ gering» eingeschätzt würden.[4]
Der andauernde Handelsstreit
Obwohl weithin als «Handelskrieg» bezeichnet, gleicht die Entwicklung von Trumps sogenannten «Liberation Day»-Zöllen eher einer strategischen Machtdemonstration als einem langfristig angelegten Konflikt. Bezeichnenderweise erzielten die US-Verhandlungsführerinnen und -führer kurz nach der Fed-Sitzung im Mai in Genf unerwartet eine Einigung mit ihren chinesischen Amtskolleginnen und -kollegen, die zu einer Senkung der Zölle von 145% auf 30% führte.[5] Ähnlich verliefen die Ereignisse später im selben Monat bei der EU, wo die Einführung von Zöllen in Höhe von 50% auf Juli verschoben wurde.[6]
Dennoch bleibt die Lage unbeständig, da in regelmässigen Abständen Zölle eingeführt und wieder aufgehoben werden und die angespannten Beziehungen zu anderen Ländern weiterhin widersprüchliche Signale senden.[7]
Wenn sich die Zölle für die Trump-Regierung als Mittel zum Zweck erweisen, könnte dieses Muster auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden – oder zumindest so lange, bis die Regierung der Ansicht ist, dass sie den früheren Status quo ausreichend verändert hat.
Folglich bleiben den Beobachterinnen und Beobachtern einschliesslich der Fed – abgesehen von einer abwartenden Haltung – nur begrenzte Möglichkeiten.
Rückblick auf die Daten
Die Fed bekräftigt immer wieder ihre entschlossene datenbasierte Vorgehensweise. Oberflächlich betrachtet könnten die jüngsten Wirtschaftsindikatoren Anlass zur Zuversicht geben.
Die Inflation – gemessen sowohl am Verbraucherpreisindex (VPI) als auch am genauer beobachteten PCE-Index – ging im April im Vergleich zum Vorjahr zurück, wie aus den im Mai veröffentlichten Daten hervorgeht.[8] Der PCE-Gesamtpreisindex sank auf 2,1%, während der Kern-PCE (ohne die volatilen Lebensmittel- und Energiepreise) auf 2,5% fiel und damit den niedrigsten Stand seit März 2021 erreichte.[9] Die jüngsten VPI-Zahlen zeigen einen weiteren leichten Rückgang des Kern-VPI, woraufhin einige Stimmen behaupteten, die Fed habe die Inflation besiegt.[10]
Auf dem Arbeitsmarkt – einer weiteren tragenden Säule des Doppelmandats der Fed – scheinen die Bedingungen günstig zu sein. Die Arbeitslosenquote verharrte im April bei 4,2%[11] und damit auf einem historisch tiefen Niveau. Auch das BIP scheint stabil zu sein, wobei die einzige ungewöhnliche Entwicklung auf einen Anstieg der Vorbestellungen in Erwartung neuer Zölle zurückzuführen ist.[12]
All dies mag beruhigend klingen, könnten Kritikerinnen und Kritiker einwenden, doch aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit haben die Daten aus der Vergangenheit möglicherweise wenig Einfluss auf die Zukunft.
Fazit
Die Vertreterinnen und Vertreter der Fed sind geteilter Meinung darüber, wie das Jahr verlaufen könnte. Gouverneur Christopher Waller beispielsweise vermutet, dass sich der Zollstreit letztendlich auf einen Basissatz von 15% einpendeln könnte, was später im Jahr die Möglichkeit für Zinssenkungen eröffnen würde.[13] Andere Mitglieder, darunter Lorie Logan, Chefin der regionalen Fed in Dallas, haben sich hingegen vorsichtiger geäussert und halten eine feste Zusage für Zinssenkungen zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht.[14]
Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Fed wäre es ratsam, sich nicht zu sehr auf einzelne Prognosen zu verlassen. Unter dem Strich kommt es beim erfolgreichen Investieren weniger darauf an, Ergebnisse vorherzusagen, als vielmehr zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung zu treffen.
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